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Montag, 18. Oktober 2010

Angriff von links


Neulich im Tatort hat sich eine Ermittlerin unter die Spargelstecher gemischt. Zur Aufklärung eines Mordfalls. Das ging nicht lange gut. „Was ist mit dir los?“ entfuhr es einer der echten Arbeiterinnen. „Du hast so feine Hände- die sehen so gar nicht nach körperlicher Arbeit aus.“
Berlin, Medienseminar in der „Hellen Panke“. In der Vorstellungsrunde begrüßen wir eine linke Stadträtin Anfang 20, Felix, der gerne mal was über russischen Rechtsradikalismus schreiben würde und Eric, den Typ mit seinem „10 Wege zum Aktivismus-Blog“. Es ist nicht nur die Tatsache, dass Eric mit seinen lupengleichen Brillengläsern und den dazugehörigen überdimensionierten Augenpaaren permanent zu mir rüber stiert, die mir ein ungutes Gefühl verbreitet. Ich bin falsch hier. Ich bin nicht links, habe noch nie Die Linken gewählt und will verdammt noch mal auch kein „linker Journalist“ werden, zu denen wir hier allem Anschein nach erzogen werden sollen.

„Ist es auch legitim, in einem Artikel die FDP zu Wort kommen zu lassen“, fragt eine der Teilnehmerinnen. „Aber natürlich“, schießt es aus dem Kursleiter heraus. „Besser können wir unsere eigene Position ja gar nicht rüberbringen“. Wenn es nach ihm geht, steht fest: Die Linken haben mächtige Defizite. Sie übertreiben, wo es geht. „Vehementer Widerstand“, „dramatische Entwicklungen“, all das seien die liebsten Schreibwerkzeuge des linken Journalisten. Der Kursleiter mahnt zu mehr Minimalismus. Und dass die Linken vor allem dann in die Schlagzeilen geraten, wenn sie für Chaos sorgen, sei ohnehin ein Unding, sagt Manfred[1]. Ich halte die Luft an.

Noch schlimmer kommt es beim Mittagessen. Sie entführen uns in ein nahegelegenes Restaurant. Für das Essen zahlen wir nichts. Während eine Demo-Geschichte die nächste jagt und jeder versucht, den anderen zu überbieten („wurdest du etwa schon einmal in einen Käfig gesteckt“), sinniert der verblendete Eric über die gesellschaftliche Ächtung, die man als Fußballfan so über sich ergehen lässt. Hunger habe ich längst keinen mehr. Zwei Demos habe ich in meinem Leben besucht, beide zur Abschaffung der Studiengebühren.

Als ich verschwinde, um einen Kaffee zu holen, dann die gefürchtete Frage. Harry, der Fürsprecher meiner linken Arbeitsgruppe: „Wir haben uns gefragt, was du eigentlich so machst?!“ - „Deine Hände sehen so gar nicht nach körperlicher Arbeit aus“, schießt es mir wieder durch den Kopf. Ich sei in einer Orientierungsphase, hätte gerade mein Studium beendet, sage ich und überrede die anderen, wieder die Gruppenarbeit aufzunehmen. Auf den Tischen im Arbeitsraum liegen plötzlich lauter weiße Zettel. Sie wollen Mitglieder, sie wollen meinen Ortsverband wissen. Jetzt ist es vorbei.
Die Realität: Sie denken, die, die hier sitzen, sind längst Mitglieder. Im Fragebogen wollen sie lediglich wissen, für welches Medium wir schreiben. Puh.

Nachts wache ich auf. „Eure Abschlussaufgabe wird eine Schreibübung sein. Eine Reportage über Die Linken“. Nein, nicht die Linken, bitte nicht die Linken.


[1] Name von der Redaktion geändert

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